Die Entwicklung und das Ende der Baumwollindustrie in Neugersdorf
1809 erwarb Carl Gottlieb Hoffmann das noch heute erhaltene Stammhaus zum Zwecke des Bindens von Webeblättern.. Daher erhielt das Unternehmen im Volksmund die Bezeichnung „ben Bloatbinder“ (beim Blattbinder)
1834 stellte C. G. Hoffmann mehrere Bandwebstühle auf und beschäftigte eine große Anzahl von Hauswebern. Durch Neubauten um das Stammhaus entwickelte sich die Firma zu einem großen Unternehmen. C. G. Hoffmann wurde zu einem der bekanntesten und größten Verleger der Oberlausitz. Er vertrat seine Firma auf den Messen in Leipzig und Frankfurt (Oder). Ketten und Schussgarne lieferte er an die Hausweber, kaufte von ihnen die gewebte Ware zurück und verkaufte dieselbe an den Handelsplätzen.
1850 umfasste die Firma die Produktionsabteilungen Zwirnerei, Weberei und Veredlung mit zwei Färbereien und einer Schererei.
1855 wurden kleine liegende Dampfmaschinen installiert, übrigens die ersten in der Oberlausitz. Später wurde die Mechanisierung der Produktion eingeleitet.
1862 gingen die ersten mechanischen Webstühle in Betrieb, nachdem man vorher schon Zwirn- und andere Maschinen angetrieben hatte. Die schleppend in Gang gekommene Mechanisierung war durch in der Nähe fehlendes Wasser bzw. fehlende Kohle begründet. Pferdegespanne übernahmen die Anlieferung der Brennstoffe.
Zu den sozialen Einrichtungen zählte man den Bau einer Kantine 1871 und die Bildung eines Konsumvereines für die Versorgung der Arbeiterschaft mit billigen Lebensmitteln. Heinrich Hoffmann gründete die Fabrikfeuerwehr, ausgerüstet mit neuen Dampfpumpen, Hydranten und fahrbaren Handspritzen. Mit 50.000 Mark richtete man eine Altersvorsorgekasse ein.
Erst 1874 erfolgte der Anschluss des Ortes an das Eisenbahnnetz.
Im gleichen Jahr starb C. G. Hoffmann im Alter von 80 Jahren. Man benannte eine Straße und einen Platz nach ihm. Nach dem frühen Tod seiner beiden Brüder führte sein Sohn Ernst Julius Hoffmann das Geschäft mehr als 30 Jahre weiter. Er wurde 1883 zum Königlichen Kommerzienrat ernannt. Sein Neffe, Reinhold Hoffmann, der in der Zeit des Sozialistengesetzes Reichstagsabgeordneter wurde, unterstützte ihn bei der Führung des Geschäftes, so dass sich das Unternehmen zu einem der bedeutendsten der Textilindustrie entwickelte.
Ab 1878 wurde die Elektrizität genützt. Damit war die Firma C. G Hoffmann der erste Betrieb der Textilindustrie, der zu dieser Zeit seine Anlagen elektrisch bediente.
1880 fertigte die Firma mit 1.500 Beschäftigten baumwollene Rock- und Hosenstoffe, später leichte Kleiderstoffe und Rauhwaren. Die Firma war der erste Großbetrieb der Oberlausitz mit dem Stammunternehmen und drei Pachtbetrieben. 2.079 Beschäftigte galten als höchste Arbeitskräfteziffer der Firma C. G. Hoffmann.
Als 1903 Ernst Julius Hofmann starb, übernahmen seine zwei Söhne die Firma. Anlässlich des Besuches von König Friedrich Wilhelm II. in Neugersdorf und auch in der Hoffmannschen Fabrik stifteten die Industriellen Neugersdorfs 120.000 Mark zur Errichtung von Arbeiterwohnhäusern. Die Firma. Hoffmann ließ für die Arbeiter die sogenannten Fünf- und Arno-Häuser bauen. Auch ein Kinderheim wurde finanziert.
1912 beschäftigte das Unternehmen 1.800 Arbeiter und Beamte in der Zwirnerei und Weberei, Färberei und in den Appreturanlagen. Die Firma verfügte zu dieser Zeit über 200 Webmaschinen, 80 Rauhmaschinen und viele andere Ausrüstungs- und Hilfsmaschinen der neuesten Technik. Produziert wurden baumwollene Unterrockflanelle, gezwirnte Rock- und Hosenstoffe sowie Decken und Betttücher. Eine besondere Spezialität waren die gerauhten Gewebe. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges erfolgte der Export nach Südamerika und in die Balkanländer, insbesondere nach Rumänien.
Als eines der führenden Unternehmen der Textilherstellung in ganz Deutschland gründete die Firma 1922 mit einem Aktienkapital von 102 Mill. Mark eine Aktiengesellschaft und firmierte als C. G. Hoffmann AG Neugersdorf.
1924 erfolgte eine Herabsetzung des Aktienkapitals auf 24 Mill. Goldmark. Infolge des Schwindens der Exportmöglichkeiten in den Nachkriegszeiten und der veränderten Bedingungen auf dem Inlandsmarkt war der Absatz wesentlich zurückgegangen. Jetzt fertigte das Unternehmen in großem Umfang kunstseidene Artikel, Inletts, melierte Gewebe in Atlas- oder Köperbindung. Wegen Auftragsmangels während der Weltwirtschaftskrise wurde 1929 als neuer Zweig die Wirkerei aufgenommen.
Im Rahmen des 1933 erlassenen Reichsgesetzes zur Förderung des Außenhandels erhielt die Firma C. G. Hoffmann von der Außenhandelsstelle für Sachsen und Ostthüringen jegliche Unterstützung. Das Unternehmen wurde als Ausfuhrfirma bezeichnet.
1934 feierte die Firma C. G. Hoffmann als das größte Textilunternehmen Neugersdorfs ihr 100-jähriges Bestehen.
Während des Zweiten Weltkrieges erfolgte die Umstellung der Produktion. Es wurden u. a. Militärdecken, Rucksack-, Uniform-, Verdunkelungsstoffe und dgl. hergestellt. Um das Kriegsmaterial produzieren und lagern zu können, wurden die Webstühle abgebaut.
Am 14.05.1945 wurde die Produktion wieder aufgenommen und für Aufträge der Roten Armee gearbeitet.
Am 30.10.1945 wurde der Betrieb laut SMAD-Befehl Nr. 154 unter Sequester gestellt und am 30.06.1946 mit Volksentscheid über die Enteignung der Nazi- und Kriegverbrecher im Land Sachsen enteignet.
Ein Maschinenpark von 600 einsatzfähigen Webstühlen machte im Nachkriegsjahr 1946 einen Jahresumsatz von 2,3 Mill. RM im Vergleich zu 5 Mill. RM im Jahre 1939. Ein Drittel der Beschäftigten produzierte für Reparationen und zwei Drittel arbeiteten für textilfremde Produktion.
1953 erfolgte der Zusammenschluss mit zwei Neugersdorfer Betrieben. 1958 und 1964 wurden weitere Betriebe zugeordnet. Der zusammengefasste Betrieb, der VEB Buntweberei und Färberei Neugersdorf, umfasste 5 Werke und etwa 2 000 Beschäftigte.
Wegen Einsturzgefahr nahm man 1965 umfangreiche bauliche Veränderungen vor, so dass verschiedene Fabrikgebäude ihr ursprüngliches Aussehen verloren.
Der VEB Buntspecht Neugersdorf wurde 1969 aus den bisherigen Betrieben VEB Spinnerei und Weberei Ebersbach, VEB Buntweberei und Färberei Neugersdorf und VEB Bunt- und Samtweberei Seifhennersdorf gegründet. Der Sitz der Betriebsleitung war in Neugersdorf das Verwaltungsgebäude der vorherigen Firma C. G. Hoffmann auf der Thälmannstraße, die vor dem Krieg C.-G.-Hoffmann-Straße hieß.
1971 erfolgte die Großbetriebsbildung des VEB Oberlausitzer Textilbetriebe (Lautex) aus den bisherigen Betrieben VEB Buntspecht Neugersdorf, VEB Textilkombinat Zittau, VEB Baumwollweberei und Veredlung Neusalza-Spremberg, später kam zeitweilig der VEB Damino Oberoderwitz hinzu. Der zentrale Sitz war wieder Neugersdorf (C. G. Hoffmann).
Im Wendejahr 1989 beschäftigte allein das Werk an der Thälmannstraße 643 Personen. Veredelt wurden 41,2 Mill. m2 Baumwoll- und baumwollartige Gewebe, auf 16 Nähwirkvliesanlagen wurden 12,7 Mill. m2 Nähwirkfaser und 2 Mill. m2 Nähwirkfadenverbundstoffe gefertigt.
1990 war die Umwandlung des VEB Lautex in die Lautex AG und 1993 die Teilung in Lautex GmbH und Textil GmbH Ostsachsen (TGO)
Zwischenzeitlich hatte 1992 die Firma Color Denim aus Feldkirch (Österreich) pachtweise die Jeansveredlung übernommen.
1993 stellte man auf Grund fehlender Aufträge die Nähwirkvliesproduktion ein.
Nach der Wende wurden, von der Treuhand durch immer wieder wechselnde Betreuer, veranlasst von westlichen Beraterfirmen mit damit verbundenen hohen Beraterkosten, unzählige Konzepte zur Weiterführung der Firma ausgearbeitet. Ebenso oft wechselten die Leitungspersonalien sowie Verantwortungen und Besitzverhältnisse.
2005 erfolgte die endgültige Schließung.
Literatur:
Verband der Nord-Ostdeutschen Textil – Bekleidungsindustrie e. V. (Herausgeber, 1997), Zur Geschichte der Baumwollindustrie Sachsens. S. 179-183
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