Taschentuchindustrie in Lauban
Rückblick auf die ehemalige Taschentuchstadt Deutschlands
>>Es ist doch keine Phrase,
Lauban putzt der ganzen Welt die Nase<<
So lautete einst der Slogan der ehemaligen Taschentuchstadt Lauban
Lauban unweit von Görlitz
Am Südostende des ehemaligen großen Textilgebietes, das sich, bald hinter Berlin beginnend, von Forst und Kottbus, Guben und Sommerfeld bis Görlitz und weiter erstreckte, lag die alte Sechsstadt Lauban am Queis, heute Luban.
Lauban, ehemalige Kreisstadt im Kreis Lauban, 519 qkm, des preußischen Regierungsbezirkes Liegnitz (Provinz Niederschlesien), am Queis, 225 Meter ü.M. an der Bahnlinie Berlin-Görlitz-Hirschberg-Breslau und Lauban-Marklissa. 100 Textilbetriebe mit 4.000 Arbeitern, Bleich und Appreturanstalten, Webstuhlfabriken, ein Reichs-bahnaussbesserungswerk, Vieh-und Pferdemärkte. Lauban wurde im zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts als Stadt bezeugt, gehörte zum Bunde der Sechsstädte der Oberlausitz und kam 1815 zu Preußen.
Die Laubaner der um 1931 16.000 Einwohner zählenden Stadt waren stolz darauf, im Mittelalter zum Sechsstädtebund jener sechs Lausitzer starken Städte Bautzen, Kamenz, Lauban, Löbau, Görlitz und Zittau gehört zu haben. Noch stolzer waren sie zu Lebzeiten auf ihren industriellen Ruhm: die Taschentuchstadt Deutschlands und eines großen Teiles der ganzen Welt zu sein.
Lauban, die Stadt der Taschentücher
In der Art der Herstellung von Webwaren hatte sich ein gewaltiger Umschwung vollzogen. Während bis 1860 in der Laubaner Breitenstraße, in Altlauban und „Unter den Weiden“ fast in jedem Hause der Handwebstuhl klapperte, änderte sich das sofort, als mit der Einführung des mechanischen Webstuhls für Baumwollwaren die fabrikmäßige Herstellung mehr und mehr Geltung erlangte.
Reinleinene Webwaren konnten damals noch nicht auf mechanischen Webstühlen hergestellt werden, da der etwas spröde Flachsfaden dem harten Schlag der mechanisch bewegten Weblade nicht standhielt.
Erst Anfang der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurden mechanische Webstühle gebaut, auf denen auch Leinengarne unbeschadet verarbeitet werden konnten. Bestehende und noch erstehende Fabriken gingen zur mechanischen Weberei über und richteten Websäle ein, in denen tagaus, tagein bis zu 400 Webstühle klapperten.
Der Handweber stellte früher unter Mithilfe seiner Familie, die ihm die Arbeit des Spulens abnahm und auch beim Scheren der Kette behilflich war, an einem Arbeitstag höchstens sechs Meter Leinwand fertig. In der Fabrik dagegen konnte ein Arbeiter auf vier mechanischen Webstühlen, die er zugleich bediente, je nach der Breite der Ware an einem Arbeitstag 100 Meter Leinwand, teils noch mehr erzeugen. In der Berechnung des Arbeitslohnes für einen Posten Ware wirkte sich das dadurch aus, dass für den Meter Ware eine ganz geringe Summe angesetzt wurde, während früher bei der Handweberei der Arbeitslohn neben den Rohstoffkosten den größten Rechnungsfaktor bildete.
Die mechanischen Webereien legte man in früheren Weberdörfern an und da Lauban der Sitz der Säumerei, Legerei und Packerei blieb, hatte sich das bereits vor dem 1. Weltkrieg geändert. In Lauban entstanden nun bedeutende Webereien. Schon vor einer Reihe von Jahren beschäftigte die Textilindustrie in und um Lauban ungefähr 5000 Personen, von denen 1200 Stückware und 3800 Taschentücher herstellten. Wöchentlich wurden damals schon 75000 Dutzend Taschentücher produziert. Und diese Zahl hatte sich bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges noch erhöht. Außerdem bezog Lauban große Mengen von Halbfabrikaten aus Süddeutschland, die in Lauban veredelt, gesäumt, gelegt und verpackt wurden.
Vom Gebrauchsgegenstand zum modischen Muster
Während früher das Taschentuch nur Gebrauchsgegenstand war und entweder Band-oder Taschenkante zeigte, entdeckte später die Mode des Taschentuch. Seitdem zeigte das Taschentuch die verschiedensten Ausstattungen in farbigen Kanten, Hohlsäumen, Stickereien und Häkeleien, die einem ständigen Wechsel unterlagen.
Erleichtert wurde diese Neueinstellung der Betriebe durch die Verwendung von Indanthren - Farben für die besten Tücher und durch die Vervollkommnung der Stickereimaschinen.
In dem Veredelungsprozeß, dem das den Webstuhl verlassende Taschentuch unterworfen wurde, ehe es als verkaufstauglich gelten konnte, spielte die Bleiche mit eine bedeutende Rolle. Die Naturfarbe der meisten Faserstoffe konnte nicht in allen Fällen beibehalten werden. Man musste sie durch bleichende Mittel beseitigen. Das war notwendig bei allen weiß und licht gefärbten Garnen und Stoffen. Man unterschied die Naturbleiche, die seit langer Zeit nur noch höchst selten angewandt wurde und die künstliche oder chemische Bleiche, mit der die Mehrzahl der zu bleichenden Webstoffe behandelt wurden.
Die Naturbleiche beruhte darauf, dass die organischen Naturfarbstoffe unter der oft monatelang dauernden Einwirkung von Luft, Feuchtigkeit und vor allem Sonnenschein zerstört wurden. Dabei bildeten sich Ozon und Wasserstoffsuperoxyd, die eigentlich bleichenden Stoffe. Auf den weiten Rasenflächen, die die Ufer des Queises und des Altlaubanbaches damals umsäumten, wurde einst Garn-und Stückware gebleicht und intensiv mit dem Wasser der genannten Wasserläufe begossen. Dazu eignete sich aber nur Wasser, das weder Eisen noch Kalk enthielt.
Diese Voraussetzungen erfüllten beide. Dass dann die Rasenbleichen verschwanden, hatte einmal seinen Grund in dem Wettbewerb der chemischen Bleichen, dem sie nicht gewachsen waren, zum anderen darin, dass durch den wachsenden Fabrikbetrieb und durch den Braunkohlenbergbau das Wasser verunreinigt und damit ungeeignet zum Bleichen wurde. Hinzu kam der gesteigerte Eisenbahnverkehr, die Erweiterung der Reichseisenbahnwerkstatt und der wachsende Betrieb der Laubaner Tonwerke. Der fallende Ruß bereitete dem Rasenbleichen ein Ende.
Das zur dutzendweisen Verpackung der Taschentücher erforderliche Material lieferten die Kartonagengeschäfte, die es mehrfach in Lauban gab. Neben dem steigenden Inlandsbedarf blühte der Export auf. Besonders wurden Leinenwaren nach Amerika, Südafrika, Japan, Italien, Holland, Spanien, in nordische Länder, Balkanländer und in die Schweiz exportiert.
So erfüllte der Slogan „Lauban putzt der Welt die Nase“ im wahrsten Sinne des Wortes seinen Anspruch auf Weltgeltung.
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Quelle: Auszugsweise aus Chronik der Sechsstadt Lauban, Fritz Bertram
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