Textilland Oberlausitz - kurzer geschichtlicher Abriss


Die Bewohner der Oberlausitz betreiben um 1600 vor allem Landwirtschaft - und die Leineweberei als traditionelle Hausarbeit für den Eigenbedarf. Vor allem in der südlichen Oberlausitz entwickelt sich auf den Dörfern die Hausweberei zunächst als jahreszeitabhängiger Nebenerwerb. Später wird die Leineweberei zum Haupterwerbszweig der dörflichen Bevölkerung, da der Erwerb aus der Landwirtschaft die neuen Generationen nicht mehr ernähren kann und es eine wachsende Nachfrage nach Leinen gibt, die von den in Zünften produzierenden Webern in den Städten nicht mehr bewältigt werden kann.


Wandlung zu Weberdörfern im 17. Jahrhundert

Seit Anfang des 30jährigen Krieges 1618 kommt es zur Einwanderung von böhmischen Glaubensflüchtlingen. Die Oberlausitzer Grundbesitzer nehmen sie gern auf, teilen ihnen Land zum Häuserbau und Gartenland zu und verpflichten sie, da sie nicht als Landbauern beschäftigt werden können, für die Aufstellung eines Webstuhls in ihren Häusern einen „Stuhlzins“ an den Gutsherren zu zahlen. Die Bevölkerung wächst rasant und zu den die Waldhufendörfer bestimmenden Bauerngehöften gesellen sich nun „Umgebindehäuser“ und wandeln das Dorfbild zum typischen Weberdorf. Zuerst bauen die Weber selbst Flachs an und spinnen daraus im Winter Garn und weben damit grobe Leinwand. Wenig später entsteht, unabhängig von den Städten, auf den Dörfern ein Verlagssystem. Nun sammeln Faktoren, vornehmlich süddeutscher Verlagshäuser, die gewebte Ware ein, sorgen für ihren Absatz, geben den Webern neues Garn und schaffen so die Vorraussetzungen für eine Produktivitätssteigerung.

Die Weber arbeiten nicht mehr auf eigenes Risiko, sondern produzieren nun für einen Unternehmer.


Erschließung neuer Märkte mit neuen Produkten

Der Einfluss des süddeutschen Handelskapitals bleibt in der Oberlausitz prägend bis ein langsamer Niedergang der Handelshäuser und die Verlagerung der Handelswege nach Norden in der ersten Hälfte 18. Jh. einsetzt. Die norddeutschen Kaufleute übernehmen nun das Exportgeschäft. Parallel dazu entwickelt sich eine einheimische Händlerschaft, die mit steigender Kapitalbildung die Geschäfte in Eigenregie übernimmt.

Nach 1666 gelingt es Unternehmern der Oberlausitz mit zwei neuen Textilprodukten, dem Damast (Bildmustern) und der weißen Leinwand, gefertigt aus gebleichtem weißen Garn, neue Märkte zu erschließen und sich damit auch eine Monopolstellung zu sichern.

Großschönauer Tafelwäsche aus Leinendamast wird in wenigen Jahren weltbekannt. Die hier vom 17. bis zum 19. Jahrhundert gefertigten Damaste entwickeln sich zu den Höhepunkten des europäischen Kunsthandwerks. Die Technologie der Damastweberei wird zum Staatsgeheimnis erklärt, und die Damastweber werden sogar von der Wehrpflicht entbunden.

1777 wird im angrenzenden böhmischen Varnsdorf die Cordsamtweberei begründet.

In und um Großröhrsdorf spezialisieren sich die Weber hauptsächlich auf die Bandweberei.

Die Stadt Zittau wird zum wichtigsten Leinenexporteur der Region.


Vom Weberdorf zum Industriedorf

Zu Beginn des 19. Jh. hat Sachsen die Führung in der deutschen Textilindustrie übernommen. Die Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse (z.B. im Bereich der Chemie), Fortschritte im Maschinenbau und dabei nicht zuletzt die Weiterentwicklung und der Einsatz der Dampfmaschinen fördern auch in der Oberlausitz die Mechanisierung und die Entstehung erster Fabriken. Die Hausweberei wird durch die industrielle Großproduktion ersetzt. Aus dem Weberdorf bildet sich der Typ des Industriedorfes heraus; der Übergang ist durch sprunghafte Bevölkerungszunahme und die stärkere Ausprägung städtischer Züge gekennzeichnet. 1834 sind in Großschönau bis zu 1000 Damastwebstühle in Betrieb und 3/4 der Bevölkerung lebt von diesem Handwerk. In diesem Jahr entsteht als erste Fabrik in Neugersdorf die Textilfabrik C.G. Hoffmann. Daraus entwickelt sich bis 1989 der größte deutsche Textilbetrieb "LAUTEX".

1859 wird die Eisenbahnlinie Zittau - Reichenberg (Böhmen) eröffnet, womit der

Anschluss der Oberlausitz an die Weltwirtschaft hergestellt ist.


Das 20. Jahrhundert

Die Bedeutung der Heimindustrie geht verloren. Infolge der technischen und industriellen Revolution konzentriert sich die Bevölkerung in Ballungsgebieten mit immer stärker werdender Wirtschaftskraft. Während des I. Weltkrieg (1914-1918) erfolgt die Umstellung der Produktion auf "Kriegswirtschaft" und viele männliche Arbeitskräfte werden an die Front geschickt. Nach Kriegsende kann sich auch die Wirtschaft wieder schrittweise erholen.

Die allgemeine Wirtschaftskrise um 1930 trifft die hoch industrialisierten Gebiete besonders schwer. Rezession und Massenarbeitslosigkeit kennzeichnen die Situation dieser Jahre.

Während des II. Weltkrieg (1939 1945) erfolgt wieder eine Umstellung der Produktionssortimente auf "Heeresbedarf" mit teilweisen Auswirkungen auf den Maschinenpark und der Abzug männlicher Arbeitskräfte an die Front. Seifhennersdorf wird zum Zentrum der Fallschirmkonfektion in der Oberlausitz.


Die DDR-Zeit

Nach der Wiederaufbauphase bringt die Wirtschaftsentwicklung der Textilindustrie in der südlichen Oberlausitz einen erneuten Aufschwung. Die Betriebe werden verstaatlicht. In der gesamten Oberlausitz werden große Industriekomplexe zur Baumwollbearbeitung gebaut, die für die Region neben Industriezweigen wie Textilmaschinen-, Fahrzeug-, Maschinenbau, Braunkohleabbau und Energieerzeugung für die Region prägend werden.


Die Zeit der politischen Wende 1989 bis 1992

Die Beschäftigtenzahl in der gesamten ostdeutschen Textilindustrie verzeichnet einen dramatischen Rückgang von 215.000 auf ca. 25.000. Mit diesem nachhaltigen und nicht abgefederten Einschnitt verliert die Textilindustrie ihre in der Oberlausitz seit Jahrhunderten bedeutsame Position.


Bis heute

Neuansiedlungen und Neugründungen von Unternehmen sind in der Region nicht selbstverständlich. Dennoch gehört die Textilindustrie inzwischen mit ca. 80 Unternehmen wieder zu den wichtigsten Wirtschaftsbranchen der Oberlausitz. Dazu kommen zahlreiche private Initiativen, die das textile Handwerk weiter erhalten oder neu beleben.



Literatur:

Frank Nürnberger (2007). Die Geschichte der Oberlausitzer Textilindustrie, Oberlausitzer Verlag Frank Nürnberger

www.textilland-oberlausitz.de

© 2008/2009 Projektgruppe "TuchText" Görlitz (www.tuchtext.de)