Die Firma geht zurück auf den 1673 in Langenbielau ansässigen Weber Hans Christoph Dierig. Im Jahr 1805 erfolgt die Grundsteinlegung für das Familienunternehmen im Eulengebirge. 1830 entsteht die Fabrik mit mehreren Jaquardwebstühlen.
Am 04. Juni 1844 stürmen aufständische Weber, nachdem ihre Forderungen nach höheren Stücklöhnen für ihre Heimarbeit, mit denen sie ihre Familien auch ernähren könnten, abgelehnt wurden, mehrere Textilfabriken in Peterswaldau und zerstören bei dieser Randale Einrichtungsgegenstände und Maschinen. 200 mit Knüppeln bewaffnete Randalierer ziehen weiter nach Langenbielau in die Textilhochburg und stürmen weitere Fabriken. Der Prinzipal der Firma Dierig bietet zur Beschwichtigung 5 Silbergroschen für jeden Weber, aber durch die herbeigerufenen Truppen eskaliert der Aufstand und das Anwesen der Familie Dierig ist letztendlich in der Hand der Aufständischen. Im Stammhaus werden die Jaquardwebstühle zerschlagen, die Vorräte geplündert und das Garn- und Fertiglager zerstört. Auch der Weinkeller wird geplündert. Zum Glück bleibt die Dampfmaschine unversehrt. Es entsteht ein Sachschaden von 80.000 Talern.
Die Familie Dierig war in der Gegend recht beliebt und
der Zorn der Weber richtete sich wohl zu Unrecht gegen sie. In dem 1892
veröffentlichten Drama von Gerhart Hauptmann kommen die Dierigs als „Dittrichs“
vor und werden als rücksichtslose Ausbeuter dargestellt.. Da der Enkel des
Firmengründers, Friedrich Dierig, diese
Darstellung als ungerecht ansah, klagte er gegen Hauptmann wegen Verleumdung.
Die Firma wächst innerhalb von 4 Jahren um 80% und es werden Waren in größeren Mengen umgesetzt. Ein Brand 1853 vernichtet große Anlagen in der Ausrüstung und Garnfärberei. Die Kunden können trotzdem beliefert werden durch den Einsatz von Handwebern, die außerhalb der Firma arbeiten. Ab 1866 werden mechanische Webstühle und Spulmaschinen eingesetzt.
In der Gründerzeit ab 1870 wächst die Wirtschaft explosionsartig und so expandiert auch die Firma Dierig 1875 zu einem ansehnlichen Betrieb. 1893 werden knapp 6 Mill. Mark umgesetzt in einem gigantischen Firmenareal mit 8 Fabriktoren. Andere Fabriken in Langenbielau müssen wegen der großen Konkurrenz schließen. Aus Waldenburg und Oberschlesien kommen nun Güterzüge mit Kohle und die Maschinen werden voll genutzt. Trotzdem fertigen noch 2000 Handweber in Heimarbeit für die Firma Dierig. Es ist also noch rentabel genug gewesen, Menschen gegen die Maschinen anarbeiten zu lassen! 1905 eröffnet Dierig eine Filiale in Gellenau, 60 km von Langenbielau entfernt, wo neue (gestreifte und karierte) Ware für Schürzen, Bettwäsche, Geschirr- und Taschentücher gewebt wird. Die Löhne sind um ein Drittel niedriger als in Langenbielau. Parallel zur Fabrik baut Dierig Wohnhäuser und ein Kinderheim.
1905 vernichtet ein Feuer in Langenbielau die Ausrüstung, die Fertigwaren in den Lagern und einen Teil des Maschinenparks der Weberei. 1911 wird eine Spinnerei mit 20.000 Spindeln in Langenbielau errichtet, die 1919 auf 60.000 Spindeln erweitert wird. Die Firma Dierig bewegt sich auf internationalen Handelsplätzen.
Die Auftragslage ist gut. Hauptsächlich Heeresaufträge zur Fertigung von schwarz und grau gefärbter Baumwolle, Matratzendrell, feldgraue Brotbeutelstoffe, Zeltbahnen, Taschentücher und Flugzeugbespannung für die deutschen Jagdflugzeuge lassen die Firma profitieren. Als es zum Kriegsende hin keine Rohstoffe mehr gibt, kauft Dierig Güterzüge voller Uniformen und verlauster Unterwäsche aus russischen Armeebeständen auf, die in seinen Fabriken neu aufgearbeitet werden.
In Schlesien herrscht eine schlechte Arbeitslage, die zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führt. Es kommt zu Plünderungen. Die Firma Dierig gibt Ersatzgeld aus. Wie ein Staat im Staate druckt Dierig Notgeld auf Dividendenpapier. Die Arbeiter fordern Arbeitsverträge und die Industrie wird zur Einführung des Achtstundentages gezwungen.
In der Firma Dierig gibt es die ersten Autos für „Handelsreisende“. Durch Rationalisierungsmaßnahmen wird erreicht, dass das Rohgewebe am gleichen Tag vom Webstuhl in die Bleiche, von dort auf die Maschinenkombination, auf den Legetisch und versandfertig in den Postwagen gelangt. 18.000 m Stoff werden so täglich durch die Firma geschleust. 1927 wird das neue Kraftwerk fertiggestellt. Der 110 m hohe Schornstein ist das höchste Bauwerk Schlesiens.
Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten und der
zweite Weltkrieg
1929 fordern die schlesischen Gewerkschaften Lohnerhöhungen von 40-80%. Durch die am 25.Oktober 1929 ausgebrochene Weltwirtschaftskrise sinkt der Export erheblich.
1933 kommen die Nationalsozialisten an die Macht und an die gesamte Textilindustrie geht die Weisung, die Produktion auf kriegswichtige Erzeugnisse umzustellen. Der Betrieb in Gellenau wird für die Rüstungsindustrie beschlagnahmt. Zwangsarbeiter und Gefangene eines in Langenbielau eingerichteten Außenlagers des Konzentrationslagers Rosen werden auch in den Textilbetrieben eingesetzt. In Langenbielau betreiben im März 1945 Jüdinnen 20.000 Spindeln.
Wenige Tage vor Kriegsende folgt die Familie Dierig nach langem Zögern den Räumungsbefehlen und bricht mit einem der letzten Trecks auf. Sie werden von den tschechischen Truppen aufgehalten. Dr. Dierig, seine Frau und Tochter nehmen sich das Leben.
Am 8. Mai 1945 trifft die sowjetische Armee in Langenbielau ein und ein weiteres Mitglied der Familie Dierig wählt den Freitod. Eine Woche danach wird von der sowjetischen Besatzungsmacht ein Geschäftsführer-Ausschuss eingesetzt und die Fabrik arbeitet wieder. Nach einiger Zeit dürfen die Deutschen nicht mehr in der Fabrik arbeiten. 1946 erfolgt die Zwangsumsiedlung der deutschen Bevölkerung. Das Stammhaus der 1830 erbauten Fabrik wird das Rathaus von Bielawa und ist es bis heute geblieben.
Auch heute noch ist der Hauptmotor der Stadtentwicklung die Textilindustrie. Die zwei größten Gesellschaften: ZPB “Bielbaw“ S.A. und ZB Bieltex S.A. beschäftigen etwa 2000 Mitarbeiter. Sie verweisen gerne auf die grosse Tradition der Fabrik Dierig zurück.
Die Firma Christian Dierig, einst größtes Textilunternehmen auf dem Kontinent, hat nach dem Krieg ihren Hauptsitz von Langenbielau nach Augsburg verlagert und sich wieder zu einem der bedeutendsten Textilunternehmen Deutschlands entwickelt.
Literatur:
Pollmann, Hans: Dierig. Weber. Seit 1805, Wachter Verlag 2005
Firmen-Webseite: www.bielbaw.com.pl
Stadt-Webseite: www.bielawa.pl
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